Seite
75
Längsschnittsdesigns
Nachteile
Längsschnittsdesigns sind ebenfalls mit einer Reihe von Nachteilen verbunden (z.B. Trautner, 1997):
- Konfundierung von Alter und Testzeitpunkt: Auch bei Längsschnittsuntersuchungen tritt eine Konfundierung auf, nämlich zwischen Alter und Erhebungszeitpunkt. Werden etwa im Jahr 2000 20-jährige Probanden untersucht, so sind diese im Jahr 2020 notgedrungen 40 Jahre alt. Unklar ist demnach, ob Unterschiede zwischen den beiden Messungen altersbedingt oder durch veränderte kulturelle, soziale und politische Bedingungen zustande gekommen sind. Beispielsweise könnte die erhöhte wahrgenommene Gefahr eines terroristischen Angriffs sowohl auf Altersunterschiede zwischen 20- und 40-jährigen Personen zurückführbar sein als auch auf unterschiedliche Testzeitpunkte (Jahr 2000 versus Jahr 2020).
- Testungseffekte: Messergebnisse können in Längsschnittsstudien durch vorangegangene Messungen beeinflusst werden. Grundsätzlich sind solche Testungseffekte stärker, je mehr Messwiederholungen vorgenommen werden und je geringer die Abstände zwischen den einzelnen Messungen sind. Man unterscheidet unter anderem zwischen folgenden Effekten:
- Übungseffekte: Durch Wiederholung der Messungen werden die Probanden mit der Zeit vertrauter mit dem Untersuchungsverfahren.
- Gewöhnungseffekte: Die allgemeine Testerfahrung steigt an.
- Sättigungseffekte: Das Interesse an der Studie nimmt mit der Zeit ab.
- Alterung des Messinstruments: Im Untersuchungsverlauf altern die eingesetzten Messinstrumente. So kann zum Beispiel ein eingesetzter allgemeiner Wissenstest nach mehreren Jahren veraltet sein. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob der Test durch einen aktuellen ersetzt oder beibehalten werden soll. Während das Ersetzen die Vergleichbarkeit der beiden Tests einschränken kann, kann die Beibehaltung dazu führen, dass irrelevantes, veraltetes Wissen durch den Test überprüft wird.
- Hoher Aufwand: Längsschnittsstudien sind mit einem hohen Aufwand verbunden. Hiervon sind verschiedene Beteiligte betroffen:
- Versuchspersonen: Probanden müssen nicht einmalig, sondern mehrfach an der Untersuchung teilnehmen. Sofern es sich nicht um eine Online-Untersuchung oder Telefonbefragung handelt, kann sich beispielsweise durch einen Wohnortswechsel die Anfahrtszeit beträchtlich erhöhen. In der Folge dürfte die Bereitschaft sinken, weiterhin an der Studie teilzunehmen.
- Versuchsleiter: Auch für die Versuchsleiter sind Längsschnittsuntersuchungen mit größerem Aufwand verbunden, da dieselben Probanden mehrfach zur Teilnahme bewegt werden müssen. In mehreren Querschnittsstudien können hingegen unterschiedliche Probanden einbezogen werden.
- Versuchsauswerter: Durch Messwiederholung und das selektive Ausscheiden von Versuchspersonen (siehe unten) ist die statistische Datenauswertung in der Regel anspruchsvoller und aufwendiger als bei Querschnittsanalysen.
- Wissenschaftler: Auch für projektverantwortliche Wissenschaftler kann der längere Untersuchungszeitraum von Nachteil sein, da die Ergebnisse teilweise erst am Ende der Studie veröffentlicht werden können. Dies kann die wissenschaftliche Karriere der Forscher behindern.
- Geldgeber: Geldgeber erhalten häufig erst am Ende der Studie Informationen über die Ergebnisse, die dann bereits veraltet sein können.
- Selektive Stichproben: Auch bei Längsschnittsstudien besteht das Problem selektiver Stichproben. So nehmen beispielsweise nur bestimmte Probanden an einer langwierigen Untersuchung mit mehreren Messzeitpunkten teil. Dadurch liegt bereits eine selektive Ausgangsstichprobe vor. Im Verlauf des Längsschnittes werden verschiedene Versuchspersonen ausscheiden. Diese Drop-outs (Abbrecher) treten systematisch auf, beispielsweise durch Wohnortswechsel oder eine unzureichende Motivation zur weiteren Teilnahme.
- Fragwürdige Generalisierbarkeit: Die gewonnenen Erkenntnisse der Längsschnittsstudie lassen sich nicht zwingend auf andere, nicht untersuchte Kohorten verallgemeinern, sondern sind vom kulturellen, sozialen und politischen Kontext abhängig. Dieser Einwand trifft jedoch für sämtliche empirische Untersuchungen zu.